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Nachhaltigkeit in der Mode – Rebecca Ehls Maturaarbeit und das Interview mit mir dazu

Rebecca Ehl schliesst ihre Ausbildung dieses Jahr an der Kantonsschule Freudenberg in Zürich ab und arbeitet das Thema Nachhaltigkeit in der Mode für ihre Abschlussarbeit auf. Hier schon einmal das geführte Interview mit mir als Stilberaterin und Botschafterin für nachhaltigeres Einkaufen von Bekleidung und bald folgt ihre vollständige Arbeit dazu auf meiner Homepage. Ich freue mich sehr, dass das Thema bei dieser Generation bereits einen grossen Stellenwert hat!

Tanja Wiget ist Stilberaterin und Personal Shopper. Sie ist Mitglied bei Get Changed! , einem Verein, der über das Thema Fair Fashion informiert und Interessengruppen vernetzt.
Woran denken Sie zuerst, wenn Sie das Stichwort „Kleidung“ hören?
An das Grundgefühl, welches durch Kleidung täglich mitschwingt, an Ausdruck von Kultur, an eine persönliche Ausdrucksform und an ästhetische und gestalterische Aspekte.
Was tun Sie als Stilberaterin und was ist Ihre genaue
Aufgabe?
Ich unterstütze die Kundschaft in der Findung und Verfeinerung ihres persönlichen Stils. Um ihre Persönlichkeit zu akzentuieren, für mehr Sicherheit in der Auswahl, für die Aussagekraft von Kleidung in einem bestimmten Umfeld, auf eine bestimmte Funktion hin, für die Identifikation und Stützung einer Marke, für anlassgerechte Kleidung, für einen guten Einkauf. Ich halte Stil-Workshops in Unternehmen, öffentlichen Institutionen und begleite private Anlässe als Stilberaterin.
Welchen Beitrag leisten Sie als Bestandteil der Modebranche?
Meine Ansprechpartner sind die Endverbraucher und die Geschäfte, sowie die
Schneidereien und Designer. Ich unterstütze den Konsumenten in seiner Entscheidungsfindung und beeinflusse ihn in seinem Einkaufsverhalten. Ich fördere gewisse Labels und Geschäfte durch meine konkreten Kleidungsvorschläge im Rahmen von Einkaufsbegleitungen und durch Informationen über die Produkte, welche ich dem Kunden weitergebe.
Wie beeinflusst Kleidung Ihren persönlichen Alltag?
Sie prägt ihn wesentlich. Sie ist das Instrumentarium meines Berufes. Sie gibt mir die Möglichkeit, aus etwas Notwendigem etwas Schöpferisches zu machen und einer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Sie schafft eine Verbindung zur Aussenwelt und vermittelt ein gutes Grundgefühl.
Manche sehen die Modebranche als Ausbeutung, andere als Konkurrenzkampf, wieder andere als Inspiration. Wie stehen Sie dazu? Was sehen Sie in ihr?
Ich sehe sie als ein Instrument zur persönlichen Ausdrucksweise, solange wir uns der Mode nicht mit Billig- und Masseneinkäufen unterwerfen. Wir sollten auf qualitativ gut hergestellte Kleidung setzen, die perfekt zu uns passt und unseren Ansprüchen eine gewisse Zeit standhält. Leider ist es eine Tatsache, dass die Branche ausbeutet. Die Arbeitsbedingungen im Ausland sind vielerorts schlecht. Wie in der Lebensmittelbranche auch, können wir als Konsumenten die Nachfrage durch unser Einkaufsverhalten beeinflussen und einen Beitrag zur Verbesserung der Umstände leisten.
Wann und wie wurden Sie sich den Problemen in der Kleiderindustrie bewusst?
Vor zehn Jahren etwa, obwohl mich bereits in meinen Teenager-Jahren das  Massenangebot und die schlecht proportionierte Kleidung abschreckte. Das Unglück von Rana Plaza vor vier Jahren oder Filme wie The True Cost haben ausgelöst, dass ich gewisse Einkaufsadressen konsequent meide und das Thema aktiv in meine Beratungen einfliessen lasse. Auch besuche ich jetzt Messen wie die Ethical Fashion Berlin, um Labels zu finden, welche nachhaltig produzieren.
Bis zu welchem Grad haben Sie sich mit den Problemen beschäftigt?
Ich lese Beiträge in Zeitschriften, Bücher, Blogs, Webseiten, schaue Filme, besuche Messen und Geschäfte, welche nachhaltige Label produzieren und Kurse an der Textilfachschule.
Wieso sind Sie „Get Changed!“ beigetreten?
Es braucht Organisationen und Networker, um die Produktion nachhaltiger Mode in der Gesellschaft bekannt zu machen und voranzutreiben.
Hatten Sie mit Ihrem nachhaltigen Denken bei Ihrer Kundschaft schon Erfolg?
Meine Kundschaft zeigt oft Interesse an nachhaltig produzierter Kleidung. Es findet oft ein Umdenken im Prozess einer Stilberatung und Einkaufsbegleitungen statt. Gerade Personen mit kleinerem Budget, für die in der Vergangenheit der Preis den Kaufentscheid stark beeinflusste, entschliessen sich für eine neuartige erangehensweise. Am Ende macht es mehr Sinn, drei gut verarbeitete und stilvolle Stücke zu kaufen, die perfekt passen, anstatt fünfzehn günstige im Schrank zu haben und nur die Hälfte davon zu tragen. Dieses Umdenken ist ein Erfolgserlebnis in Bezug auf stilvolles und nachhaltiges Einkaufen.
Denken Sie, dass Vereine wie „Get Changed!“ eine positive Veränderung
auslösen können?
Es braucht solche Organisationen, um die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren. Dann liegt es vor allem auch in unserer Verantwortung, gute Entscheide zu fällen.
Was beunruhigt Sie am meisten wenn es um die Probleme in der
Kleiderindustrie geht?
Die fehlende Bildung und Ignoranz zahlungskräftiger Kunden dem Thema gegenüber. Die Zahlungsbereitschaft gewisser Textilkunden wird sich nicht ändern und nachhaltige Mode wird einem Premiumsegment vorenthalten bleiben. Auch wenn in den kommenden Jahren gesetzliche Auflagen zur Deklaration der Haltbarkeit von Textilien kommen werden, wird für Kunden, die weniger  zahlungskräftig sind, der Preis am Ende das entscheidende Kriterium bleiben. Der Preiskampf der Händler um den Economy-Kunden wird so weiter auf Kosten der sozialen und ökologischen Fairness ausgetragen.
Sprechen Sie oft mit Kunden darüber? Mit Ihrer Familie oder Freunden?
Ich lasse das Thema in meine Beratungen und Einkaufsbegleitungen einfliessen. Mit meinem Partner führe ich Gespräche darüber. Gewissen Leuten ist das Thema zu  kompliziert. Leute, die sich für die Geschichte hinter einem Produkt interessieren, denen es nicht egal ist, was und wie sie konsumieren, sind meist offen für das Thema.
Achten Sie bei der Auswahl Ihrer persönlichen Kleidung auf die Herstellung? Wie ist das bei Kunden?
Ich kaufe eher wenig Kleidung, aber solche, die mindestens vier Saisons überdauert. Es gibt Stücke in meinem Schrank, die fast zehn Jahre alt sind und ich kriege immer noch Komplimente dafür. Ich achte darauf, dass die Kleidung in Europa hergestellt wurde und beziehe, wenn immer möglich, moderne Fasern wie zum Beispiel Lyocell oder Tencel ein. Wenn möglich unterstütze ich junge, lokal produzierende Labels.
Hat es jemals Momente gegeben, in denen Sie sich überlegt haben Ihre Arbeit wegen dieser Probleme aufzugeben?
Im Gegenteil. Stilbildung wird oft mit modisch sein in Verbindung gebracht und damit meint man, ständig den neusten Trends hinterher hecheln zu müssen. Jeden neuen Trend mitzumachen heisst nicht, dass dies auch Stil hat. Viele tappen in verschiedenen Stilen hin und her und zeigen damit, wie unsicher sie diesbezüglich sind. Mein Credo lautet: Wähle richtig, dann brauchst du weniger, hast länger Freude daran und ein gutes Gewissen geht mit. Diesbezüglich bin ich eine Art Botschafter im Sinne der Nachhaltigkeit.
Sind Sie der Zukunft der Modebranche gegenüber eher positiv oder negativ eingestellt? Was wird sich Ihrer Meinung nach verändern (müssen)?
Die Modebranche beschäftigt zurzeit andere grosse Themen wie zum Beispiel der Online-Handel und die Digitalisierung der ganzen Wertschöpfungskette. Die Branche wird derzeit eine Art revolutioniert und muss sich neu finden. Das stellt vor allem Herausforderungen für den Handel dar, der vor der Nachhaltigkeit kommt. Was diese betrifft, muss sich einerseits die Einstellung des Endkunden gegenüber der Fast-Fashion-Industrie ändern, andererseits die Haltung der Hersteller und Anbieter. Weg von Gewinnmaximierung zu neuen Lösungen und zur Übernahme von Verantwortung.

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